„St. Martin – der Europäer“
18. November 2018Martinsgansessen der CSU Neu-Ulm mit Markus Ferber MdEP.
„Es ist eine spannende Zeitenwende auf europäischer Ebene“, so leitete Markus Ferber seine Rede anlässlich des Martinsgansessen der CSU Neu-Ulm im Holzschwanger Gasthaus „Zum Hirsch“ ein.
So einschneidende Ereignisse wie derzeit habe er zuletzt als junger Mann erlebt, als 1989 die Mauer gefallen war. Doch sei die Rolle der USA damals im Vergleich zu heute eine andere gewesen. Bis in die 90er Jahre seien die USA ein Partner gewesen, ein Beschützer, auf den man sich im Ernstfall hätte verlassen können. Heute sei das Verhältnis schwierig geworden, wobei vor allem die für Deutschland positive Exportsituation an der Verstimmung schuld sei. Ob der Amerikaner uns heute wieder bedingungslos in einem Konfliktfall beispringen würde, wolle er dahingestellt lassen.
Auch die Rolle Russlands habe sich gewandelt. Die Russen seien heute weit von der Annährung und der Stimmung der 90er bis 2000er Jahre entfernt, man denke in dem Zusammenhang nur an den Ukraine-Konflikt und die damit verbundenen Expansionsbestrebungen Russlands.
Dasselbe gelte für die Türkei, die mit der Umwandlung in ein Präsidialsystem gewaltige Umbrüche erlebe. Der Staat Libyen sei nur noch auf der Landkarte als Land vorhanden, tatsächlich aber beherrschten Schlepperbanden für Flüchtlinge aus Afrika das Geschehen, staatliche Autorität fehle. Als die Deutschen sich seinerzeit nicht an Militärschlagen gegen das dort herrschende System beteiligen wollten, wollte das im Ausland niemand verstehen, keiner wollte die Warnungen hören. Heute habe sich bewahrheitet, dass die deutschen Bedenken berechtigt waren.
Markus Ferber lobte die Idee der Kanzlerin, eine europäische Armee aufzubauen. Allerdings erfordere das eine große Kraftanstrengung. So würden die europäischen Staaten zusammen immerhin rund 60 Prozent der Ausgaben der USA für deren Militär aufbringen; die Fähigkeiten der Europäer bestünden allerdings nur bei 10 Prozent derjenigen des US-Militärs. Als das letzte Mal über die Beschaffung eines neuen Jägers für die Luftwaffe diskutiert worden sei, sei er – Markus Ferber – ein junger Mann gewesen.
Innerhalb Europas gelte es, die Grenzen abzubauen. Gleichzeitig aber müsse der Schutz der Außengrenzen gewährleistet sein. Daher habe die EU beschlossen, dass ab 2019 ein Einreise-/Ausreiseregister angelegt werde um zu wissen, wer sich in der EU aufhalte. In den USA sei das seit jeher Usus.
Ferber hob die Vorzüge des Freihandelsabkommens mit Japan hervor, das Zölle abbauen werde und das zudem völlig ohne irgendwelche Schiedsgerichte auskomme.
Ausdrücklich betonte Markus Ferber die Bedeutung des sog. Subsidiaritätsprinzips in der EU, das stets Beachtung finden müsse. Es müsse nicht alles in Brüssel entschieden werden, wenn es beispielsweise die Kommunen vor Ort selber und besser machen können. Als Beispiel nannte er die Vergabevorschriften für die Ausschreibung von Öffentlichem Personennahverkehr oder Vorgaben zur Nitratbelastung bzw. dem Grundwasserschutz.
„Solidarität heißt Hilfe zur Selbsthilfe, nicht dauerhafte Alimentierung“, so Markus Ferber in Anspielung auf die Unterstützung von in finanzielle Schieflage geratene EU-Mitgliedsländer, insbesondere Italien. Der heilige St. Martin habe damals seinen Mantel hälftig geteilt. Hätte er den ganzen Mantel gegeben wäre er selbst nicht durch die Nacht gekommen, so hatten beide eine Chance, es zu schaffen. Die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten seien in der Wirtschaftskraft schwächer als Italien, sollten nun aber zu Italien, einem ehemals wohlhabenden Land, solidarisch sein. Italien habe mehr Schulden als Deutschland, aber nur die halbe Wirtschaftskraft. So werde dort mehr Geld für Pensionen ausgegeben als für den gesamten bestehenden, noch arbeitenden Beamtenapparat. Das Prinzip unserer Grundsicherung laute „fördern und fordern“, in Italien werde aber nur gefördert.
Italien habe in guten Zeiten nicht – wie es sich gehöre – für schlechte Zeiten gespart, sondern lebe bereits in guten Zeiten über die Verhältnisse. „Warum sollte man also dem Bettler, der schon drei Mäntel habe, noch den halben eigenen Mantel dazugeben“, fragte Markus Ferber.
Auch den bevorstehenden Brexit ließ Markus Ferber nicht aus. Die Briten würden derzeit sogar Schiffe chartern, um sich mit genügend Medikamenten eindecken zu können, weil sie diese selbst nicht in ausreichendem Maße produzieren könnten. Ähnliche Probleme lauerten in der Landwirtschaft. Im Flugzeugbau komme der Rumpf eines Airbus aus Deutschland bzw. Frankreich, die Tragflächen aus Großbritannien. So würden die Briten mittlerweile die Flügel auf Halde produzieren, weil man bisher noch nicht geklärt habe, wie man diese künftig dann zolltechnisch behandeln sollte.
Abschließend gab Markus Ferber noch einen Ausblick auf die bevorstehende Wahl des EU-Kommissions-Vorsitzenden, wofür der CSU-ler Manfred Weber kandidiert. Er wäre damit der erste Bayer auf dieser Position. Schwierigkeiten bereite jedoch, dass dieses Amt bisher immer ehemalige Regierungschefs bekleidet hätten. Daher würden manche Manfred Weber diesen Umstand zum Nachteil auslegen.